Politikerwort zu den Wahlen am 23.02.2025

Nur noch wenige Tage und wir sind alle gefordert, zu wählen.
Nein, wir dürfen wählen! Jeder von uns hat genau eine Stimme, unabhängig von Status und Reichtum. Das war früher einmal anders.
Und nein, früher war nicht alles besser. Die freie Wahl ist in Deutschland eine relativ junge Errungenschaft, von immenser Bedeutung.* Und nein, die Möglichkeit, frei und geheim zu wählen, ist keine Selbstverständlichkeit. Für dieses Recht müssen wir zur Not kämpfen. Wer die Demokratie verhöhnt und ad absurdum führt, achtet auch freie und geheime Wahlen nicht. Noch etwas ist sehr wichtig und in Gefahr: Jeder darf seine Meinung frei äußern! Das bedeutet natürlich auch, dass andere auch anderer Meinung sein dürfen und dieses auch äußern dürfen. Wer in irgendwelchen Chats herumjammert , man dürfe ja seine Meinung nicht mehr sagen, hat genau diesen Umstand nicht verstanden oder möchte die Meinungsfreiheit abschaffen. Diese Freiheit jedes Einzelnen ist unverletzlich, solange die Ausübung dieser Freiheit nicht die Freiheit anderer verletzt. Das ist gut so! Für Sie und für mich. Aber das gilt natürlich auch für alle anderen. Aber Vater Staat hält sich heraus, solange nicht eklatante Grenzen überschritten werden.** Diese Rechte und Freiheiten sind viel wichtiger, als ein jedes Jahr eklatant weiter wachsendes Bruttosozialprodukt.
Es ist bei zu vielen Menschen offensichtlich nicht mehr wirklich in Erinnerung oder es wird als bedrückender Ballast verdrängt, dass diese Freiheiten im Jahr 1933 schon einmal leichtfertig bei demokratischen Wahlen aus der Hand gegeben wurden.
Es ging sehr schnell und die Wahlen waren nicht mehr frei und geheim.
Äußerungen führten schnell zu Repressalien, Verhaftungen, Deportierungen und der Ermordung von Mitmenschen. Minderheiten wurden unschuldig zu Sündenböcken gemacht und systematisch ermordet. Denunziation war an der Tagesordnung. Es war ein Leben in Furcht und absoluter Machtlosigkeit im Angesicht der Taten, die die damals -ja, unfassbar, aber wahr- demokratisch gewählte Regierung beging.
Keiner möchte wieder in diesen Verhältnissen leben, außer den Tätern sicherlich. Die lachten damals über die Demokratie, die ihnen so leicht die Übernahme der Macht und deren Missbrauch ermöglicht hatte.***)
Es war aber nicht die Demokratie, sondern die Menschen, die die ihnen übergebene Verantwortung nicht ausreichend wahrgenommen hatten. Damals gab es noch kein Beispiel, an das man sich erinnern und die Gefahr leicht hätte erkennen können.
Das ist heute anders. Wir kennen die Methoden und das Vorgehen, dass da wieder unter den modrigen Steinen hervorgekrochen kommt.
Wir müssen uns diese Erinnerungen vergegenwärtigen, gerade jetzt, wo wieder verächtlich über die demokratischen Regeln gesprochen, sie verhöhnt werden und die Freiheit Einzelner unter dem Deckmantel der Sicherheit in Frage gestellt wird.
Es beginnt mit einer Minderheitengruppe, gegen die es schon Vorbehalte in bestimmten Bevölkerungsgruppen gibt, die durch unzulässige Verallgemeinerungen ausgenutzt werden können. Danach werden andere Minderheiten dämonisiert.
Es ist immer dasselbe Muster.
Das ist fast hundert Jahre her? Sehen Sie nach Amerika. Trump ist kaum an der Macht, da müssen sich schon alle fürchten, die sich jemals kritisch über ihn geäußert haben und sogar Schwerverbrecher werden begnadigt, weil sie bei dem von ihm angefachten Kapitolsturm dabei waren. Das ist erst ein paar Tage her.
Was können, nein müssen wir tun, damit unser Leben so frei bleibt, wie es aktuell glücklicherweise noch ist. Damit wir auch weiterhin alle vier Jahre frei und geheim wählen können?
Gehen Sie vorsichtig mit plötzlich auftauchenden „Wahrheiten“ um und prüfen Sie kritisch, woher die kommen und was damit bezweckt wird.
Prüfen Sie mehrere Quellen und glauben Sie nicht ungeprüft Aussagen in Blättern, die allgemein bekannt für reißerische Behauptungen und einen lockeren Umgang mit der Wahrheit sind.
Sie sind der Souverän. Nehmen Sie diese Verantwortung an.
Daher seien Sie wachsam und achten Sie auf die demokratische Ausrichtung der Partei, die Sie wählen. Und gehen Sie wählen! Wenn nur wenige wählen, bestimmen Wenige über das Schicksal des Landes und es können die Falschen sein!
Ich schreibe das, weil ich mit Schrecken die aktuelle Entwicklung sehe, die immer stärker die Grundlagen unserer Freiheit und damit auch unseres Wohlstandes in Frage stellt. Ich habe mich deshalb im vorigen Jahr entschlossen, einer sehr der Demokratie verbundenen Partei beizutreten und mich für den Erhalt unserer Werte einzusetzen. Ich hoffe, die der Demokratie verbundenen Parteien können auf Ihre Unterstützung zählen.
Jens Lauenstein-Dietrich
Bürgerliches Mitglied der SPD Bargteheide
*) Wikipedia: Die allgemeine und gleiche Wahl gibt es in Deutschland seit 1848 und wurde 1933 von den Nationalsozialisten wieder abgeschafft und seit 1945 in der Bundesrepublik und seit 1990 in ganz Deutschland in Form einer Verhältniswahl.
**) Art. 5 Abs. 2 des Grundgesetzes:“(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.“
Es gibt also wenige Ausnahmen, wie Beleidigungen, Erniedrigungen und Verleumdungen, jugendgefährdende Aussagen, wie z.B. Gewaltverherrlichung und die Billigung, Verherrlichung oder Rechtfertigung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft.)
***) Laut Prantl hatte Goebbels 1935, zwei Jahre nach der Machtergreifung 1933, geschrieben:
„Das wird immer einer der besten Witze der Demokratie bleiben, dass sie ihren Todfeinden die Mittel selber stellte, durch die sie vernichtet wurde. Die verfolgten Führer der NSDAP traten als Abgeordnete in den Genuss der Immunität, der Diäten und der Freifahrkarte. Dadurch waren sie vor dem polizeilichen Zugriff gesichert, durften sich mehr zu sagen erlauben als gewöhnliche Staatsbürger und ließen sich außerdem die Kosten ihrer Tätigkeit vom Feinde bezahlen. Aus der demokratischen Dummheit ließ sich vortrefflich Kapital schlagen.“
Foto: Timon Kronenberg